Die vier Brahmaviharas – Herzensqualitäten für ein erfülltes Leben
- calmly
- 14. Sept.
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Die buddhistische Tradition sowie auch die Yogaphilosophie kennt vier besondere Geistes- und Herzensqualitäten, die „Brahmaviharas“ genannt werden. Wörtlich bedeutet das „die göttlichen Verweilungen“ – Zustände, in denen sich der Geist frei, weit und mitfühlend entfalten kann. Sie sind keine abstrakten Ideale, sondern Qualitäten, die wir im Alltag kultivieren können.
Die Brahmaviharas sind:
Metta (liebende Güte) Die Fähigkeit, anderen und uns selbst wohlwollend und freundlich zu begegnen. Sie sagt: „Mögest du glücklich sein.“
Alltagsbeispiel: Wenn ich im Stau stehe und jemand drängelt, kann ich – statt mich in Ärger zu verbeissen – kurz innehalten und mir sagen: „Möge auch dieser Mensch sicher und gesund ankommen.“
Karuna (Mitgefühl) Das offene Herz angesichts von Leid. Mitgefühl bedeutet nicht, im Schmerz unterzugehen, sondern eine solidarische Nähe.
Alltagsbeispiel: Eine Freundin erzählt mir von einer schwierigen Diagnose. Ich muss keine Lösung bieten, aber ich kann da sein, zuhören und ihre Tränen mittragen.
Mudita (Mitfreude) Die Freude am Glück der anderen. Statt Neid zu empfinden, dürfen wir uns an den Erfolgen und dem Wohlergehen anderer mitfreuen.
Alltagsbeispiel: Eine Kollegin bekommt die Beförderung, die ich selbst gern gehabt hätte. Natürlich spüre ich Enttäuschung – und doch kann ich bewusst anerkennen: „Wie schön, dass sie sich darüber freut!“ Das öffnet Raum für Leichtigkeit, statt im Vergleich zu verkrampfen.
Upekkha (Gleichmut oder Gelassenheit) Ein weites, gelassenes Herz, das alles mit Klarheit und Balance betrachtet. Es bedeutet nicht Gleichgültigkeit, sondern ein tiefes Vertrauen in den Fluss des Lebens.
Alltagsbeispiel: Mein Kind schreibt eine schlechte Note. Ich begleite es mit Verständnis und Unterstützung – ohne in Panik zu verfallen oder in Vorwürfen zu verharren.
Wie die Praxis mich wachsen lässt
Die Brahmaviharas sind nicht nur schöne Ideen – sie sind Übungen. Anfangs wirken sie manchmal ungewohnt: „Soll ich mir ernsthaft wünschen, dass alle glücklich sind, selbst die, die mich nerven?“ Doch mit der Zeit verändern sie die innere Haltung.
Mehr Weite im Herzen: Wenn ich täglich ein paar Minuten Metta-Meditation übe, spüre ich, wie ich sanfter mit mir selbst werde – und auch weniger schnell in Ärger explodiere.
Weniger Neid, mehr Freude: Durch mudita erkenne ich, dass das Glück der anderen kein Verlust für mich ist. Ihr Licht löscht meins nicht aus – im Gegenteil, es macht die Welt heller.
Stärke in schwierigen Zeiten: Karuna und upekkha helfen mir, Leid zu sehen, ohne daran zu zerbrechen. Sie schenken inneren Halt – wie ein Anker, wenn das Meer stürmisch wird.
So werden die Brahmaviharas zu inneren Freunden. Sie erinnern mich daran, dass mein Herz grösser ist als Angst, Neid oder Abwehr.
Die vier Brahmaviharas sind keine fernen Ideale für Mönche oder Meditationsmeister – sie sind ganz praktische Lebenshilfen. Jedes Mal, wenn wir freundlich statt gereizt reagieren, mitfühlend statt kalt, freudig statt neidisch, gelassen statt panisch, lassen wir diese Herzensqualitäten lebendig werden.
Mit der Zeit wachsen wir in eine Haltung hinein, die nicht nur uns selbst guttut, sondern auch unsere Beziehungen und unsere Welt heilt.



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